Zukunftsweisende Ansätze
Andreas Hofer über Innovationen in Architektenwettbewerben
Können Sie in wenigen Sätzen zusammenfassen, was die IBA‘27 macht und welche Rolle Sie einnehmen?
Die IBA‘27 (Internationale Bauausstellung) ist eine Plattform, die sich mit innovativen Ansätzen zur Stadt- und Baukultur beschäftigt. Sie bietet Raum für Experimente, Diskussionen und die Entwicklung zeitgemäßer Konzepte für das Zusammenleben in urbanen Räumen.
In meiner Rolle bei der IBA‘27 betrachte ich mich als Hüter der Baukultur, der sich dafür einsetzt, dass Wettbewerbsverfahren fair und transparent gestaltet werden. Dabei ist es mir wichtig, dass alle Beteiligten angemessen entschädigt werden und die Verfahren auf klaren, nachvollziehbaren Regeln basieren.
Welche Verantwortung hat die IBA‘27 aus Ihrer Sicht?
Die IBA‘27 ist ein wichtiges Format in Deutschland, sie hat über die Jahre hinweg verschiedene Facetten urbaner Entwicklung hervorgebracht und bietet wertvolle Einblicke in die Architekturgeschichte. Essenziell ist es, dass wir nicht nur aktuelle Herausforderungen im Städtebau angehen, sondern auch die historische Dimension und die Entwicklung neuer Wohn- und Lebensformen im Blick behalten.
Was hat Sie dazu bewegt, Verfahren nicht nach dem Regelwerk/dem Normansatz anzugehen?
Mein Ansatz basiert darauf, dass ich den Fokus auf die jeweilige Aufgabe und das spezifische Projekt lege. Oft sind die beteiligten Parteien nicht so erfahren, wie man es sich wünschen würde und die Zusammensetzung der Jurys weniger zielführend. Es ist entscheidend, dass wir die verschiedenen Stakeholder aktiv einbeziehen und deren Verständnis für die Qualitäten von Projekten fördern.
Und was macht für Sie eine gute Jury aus?
Eine gute Jury sollte klein und interdisziplinär sein, damit ein offener Austausch möglich ist. Es ist wichtig, dass die Mitglieder der Jury unterschiedliche Perspektiven und Fachkenntnisse einbringen können, um zu fundierten Entscheidungen zu gelangen. Ich habe oft erlebt, dass zu große, politisch besetzte Jurys die Qualität der Entscheidungen beeinträchtigen.
Eine agile, dialogorientierte Jury hingegen kann die Qualität der eingereichten Projekte beurteilen und mit ihren Hinweisen das Projekt im weiteren Verlauf auf den richtigen Weg bringen, weil sie in der Lage ist, komplexe Themen zu diskutieren und verschiedene Ansichten zu integrieren.
„Wir müssen die Jury in Agilität und Dialogorientiertheit fördern“
Was macht einen gute Vorprüfbericht aus?
Die üblichen Vorprüfberichte sind oft nicht aussagekräftig und tragen wenig zur Qualität der Entscheidungsfindung bei. Ich finde es wichtig, dass sich diese auf konkrete, messbare Kriterien konzentrieren, wie z.B. die Effizienz der Gebäudevolumetrie , sowie der Grundrissgestaltung und ökologische Aspekte, die in frühen Projektphasen häufig mit ökonomischer Effizienz korrelieren. Die Jury kann dann auf der Basis von fundierten und objektiven Daten bewerten.
Haben Sie einen Vorschlag, wie man die Thematik Nachhaltigkeit in Wettbewerben sinnhaft bewerten kann?
Nachhaltigkeit wird oft in Form von auswechselbaren Textbausteinen auf den Plänen behautet, die in dieser Phase irrelevant sind. Natürlich geben Materialisierung, unterirdische Gebäudevolumen und energetische Vorschläge Hinweise auf die Sensibilität des Entwurfsteams für Nachhaltigkeitsfragen, allerdings ändern sich viele dieser Aspekte in der Überarbeitung.
Im Wettbewerb verspricht die beste Architektur oft die größten Potentiale für nachhaltige Gebäude, da sie Nachhaltigkeit ganzheitlich versteht und auch soziale und kulturelle Faktoren einbezieht.
„Wettbewerbe sollen einen Rahmen für Entwicklung und Innovation schaffen. Der Prozess wiederum muss diesen Raum auch zulassen“
Welches Verfahren in Ihrer beruflichen Karriere war für Sie das innovativste?
Ein besonders prägendes Projekt war die Entwicklung eines neuen Wohnquartiers zur 100-Jahr-Feier des gemeinnützigen Wohnungsbaus in Zürich. Wir gründeten eine Genossenschaft aus 50 Mitgliedsgenossenschaften, um eine Art „Metagenossenschaft“ zu formen, die den Auftrag hatte, innovative Lösungen zu entwickeln.
Die Umsetzung erfolgte durch ein zweistufiges Verfahren. In der ersten Stufe haben wir einen internationalen offenen Wettbewerb ausgeschrieben. Hierbei gab es keinen konkreten Auftrag, sondern wir suchten nach Ideen, die den Standort für die nächsten 100 Jahre formen könnten. Nach dieser ersten Phase wurden die besten Konzepte ausgewählt und zusammen mit weiteren gesetzten Teams zu einem projektbezogenen Wettbewerb eingeladen, so entstanden letztlich 400 Wohnungen in einem neuen Quartier.
Welche Innovationen kamen aus dem Verfahren in Zürich hervor?
Das Verfahren in Zürich brachte mehrere Innovationsansätze mit sich. Ein wichtiger Aspekt war der partizipative Prozess, den wir initiiert haben. Der offene Wettbewerb war international zugänglich, wodurch Ideen von Architekten und Stadtplanern aus verschiedenen kulturellen Kontexten einflossen. Dies führte zu kreativen und unkonventionellen Lösungen, die unser städtebauliches Umfeld erheblich bereichert haben.
Darüber hinaus haben wir großen Wert auf nachhaltige Baukonzepte gelegt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Nutzung von Fernwärme aus einem benachbarten Rechenzentrum sowie der Einsatz von monolithischen Bauweisen und Holzgebäuden, die zu einer umweltfreundlicheren Bauweise beitragen.
Ein weiteres zentrales Element war, dass wir gemeinsam ein Gestaltungshandbuch entwickelt haben. Es stellte sicher, dass die verschiedenen Gebäude zusammen spielten. Dieses Handbuch bot nicht nur Richtlinien für die Architektur, sondern förderte auch den Dialog zwischen den Architekten, was zu einem kohärenten städtebaulichen Konzept führte.
Zu guter Letzt bot das Projekt die Möglichkeit, neue Bauweisen und technische Lösungen zu erproben. Wir haben innovative Lüftungssysteme und nachhaltige Materialien in die Planung integriert, was zu einem hohen Standard in der Bauqualität führte.
Insgesamt haben diese Innovationsansätze dazu beigetragen, ein Quartier zu schaffen, das sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugt und gleichzeitig den sozialen und ökologischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft gerecht wird.
„Nachhaltigkeit darf nicht pauschal behandelt werden, sondern muss durch messbare Kriterien bewertet werden, die auf der Geometrie, der Ressourcenschonung und der Effizienz der Gebäude basieren. Nachhaltigkeit muss in der frühen Planungsphase Berücksichtigung finden.“
Gibt es etwas, was Sie uns noch auf den Weg geben möchten?
Ich möchte das junge Team ermutigen, seine Leidenschaft in den Ausschreibungsprozess einzubringen. Zusammen mit den Erfahrungen von älteren Mitarbeitenden kann so ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen der Projektentwicklung entstehen. Ein umfassendes Wissen über alle Leistungsphasen hinweg kann zu bemerkenswerten Ergebnissen führen. Lernen Sie von den Besten und nutzen Sie Ihre Erfahrungen, um die Qualität der Wettbewerbe zu steigern.